Mittwoch, 23. September 2009

Ein Bericht aus der Puszta

Am letzten wochenende stand ein von uns lange geplanter besuch budapests auf dem programm. Neben dem üblichen sightseeing war natürlich auch der besuch eines spiels der ersten ungarischen liga geplant. Bei 5 budapester erstligamannschaften sollte das kein problem sein, ein passendes spiel zu finden. So konnten wir denn auch wählen, zwischen einem heimspiel des MTK Budapest (23 maliger ungarischer Meister, zuletzt 2008) und einem heimspiel von Ujpest FC (20 maliger ungarischer meister, zuletzt 1998). Nach langem googlen, wikipedia wälzen und stadion ansehen, viel unsere wahl auf ujpest.
Das stadion war anfang 2000 renoviert worden, hat ein fassungsvermögen von knapp 13.000 zuschauern und machte zumindest auf fotos einen ganz guten eindruck. Die fanszene wurde im internet als stimmungsvoll beschrieben und der club sollte einer der beliebtesten in ungarn sein. Zudem handelt es sich um den ältesten, noch existierenden traditionsverein, ungarns. Während des kalten krieges war ujpest der verein der polizei (also wie Dünamö drähsden). MTK hingegen spielte in einem stadion, dass den puren sozialismus wiederspiegelt: beton, wo man hinsieht, steile, vermooste ränge, verrostete banden, zudem keine fankultur. An dem stadion sind wir auf unserem weg vom flughafen zum hotel am ankunftstag vorbeigekommen. Das sah wirklich ganz bitter aus. Der club gilt in ungarn als kaderschmiede und verkauft jedes jahr seine halbe mannschaft. Trotzdem scheint der club (mit jüdischen wurzeln) erfolgreich zu sein. Soweit so gut. Auch ungarn hat das problem, wie wir es haben: ein zerflädderter spielplan, wo auch mal partien einige tage vor dem spieltag noch verschoben werden. So auch unser spiel, dass bis 2 wochen vor dem tripp am sonntagnachmittag stattfinden sollte. Weil es aber scheinbar topspiel des tages wurde, wurde es kurzerhand auf Samstag, 17.30 gelegt. Meine anfrage beim club bzgl tickets wurde binnen 5 minuten per mail beantwortet. Kartenreservierungen waren jedenfalls nicht notwendig. Dazu muss man wissen, dass der zuschauerschnitt in ungarn seit anfang 2000 aufgrund von korruption, gewalt und wohl auch sportlicher bedeutungslosigkeit der vereine im internationalen vergleich massiv gesunken ist. Der schnitt liegt wohl aktuell weit unter 5.000 zuschauern. Ujpest hat mit knapp 4000 zuschauern wohl den höchsten schnitt. Nicht mal die derbys in budapest sind ausverkauft, wobei es laut netz nur ein wirkliches derby in budapest gibt: ujpest-ferencvaros. Ferencvaros (früher regierungskritischer klub) ist der erfolgreichste klub ungarns, der aber 2 jahre in der 2.liga spielen musste, aufgrund von irgendwelchen korruptionsvporwürfen. Vor ein paar jahren haben die mal die blauen in der CL bediegt. Honved (früher Armee-klub) scheint auch noch etwas bedeutung zu haben, zeichnet sich aber auch durch ein besonders gewaltbereite und rechtsextreme fanszene aus. Dazu gibt’s halt neben MTK noch den bedeutungslosen klub vasas budapest, als ehemaliger eisenbahner-verein. Alle vereine ligen auf der pester-seite von budapest und haben alles das attribut arbeiterverein.
Wir hatten uns also das spiel ujpest FC (tabellen 3.) gg Nyiregyhaza Spartacus (aus westungarn, tabellen 10.) ausgesucht. Die planung zur anreise zum stadion gestalteten sich schon als äußerst abenteuerlich. Die internetseiten (zum teil in englisch) der vereine enthalten nicht wirklich viele informationen zu ticketing und anreise. Also wurden die dürftigen infos von transfermarkt.de genommen, auf google maps die route angesehen und sich so den weg zum stadion zusammengebastelt. Sollte schon klappen, zur not, einfach der violett-weißen (farben von ujpest) fanschar folgen, dachten wir… nun gut. Samstag, 16.00 Uhr, ab in die metro, die uns zumindest schonmal in den stadtteil ujepst bringen sollte. Wir mussten ca. 7 stationen fahren. Jede station weiter hielten wir ausschau nach fans. Aber es stieg niemand zu. Keiner in den farben, die wir erwarteten. Ok, ist halt so. werden wahrscheinlich alle da direkt wohnen. Dann stiegen wir aus und wollten in den bus zum stadion. Den gab es aber nicht - zumindest nicht an der haltestaelle, wo wir ausgestiegen waren. Also, was machen? Rein in die metro und noch ne station weiter fahren. Als wir ausstiegen, sahen wir dann tatsächlich einige, die das gleiche ziel wie wir hatten. Ein glück, denn die buslinie, mit der wir dann letztendlich zum stadion fuhren, passte nicht mit der überein, die wir uns vorher rausgesucht hatten. Während man sich im zentrum von budapest hervorragend mit deutsch und englich verständigen kann, ist dies, je weiter man sich von dort enfernt, schwierig. Englisch geht gut (deutsch haben wir nicht versucht), aber alle hinweisschlder usw. sind nur auf ungarisch. Und das geht mal gar nicht. Egal. Der shuttelbus (ein vorzeige objekt russischer/osteuropäischer fahrzeugtechnik) fuhr uns ca .10 min durch die "edelsten" wohngegengenden der stadt. Bis alle plötzlich ausstiegen. Wir dann auch - nur von stadion war weit und breit nix zu sehen. Also, immer den fans nach. Die doch - gemessener an der anzahl an fans - vielen, stark gepanzerten polizisten, liessen auf die nähe zum stadion deuten. Auf dem weg zum stadion (in einem wohnviertel) sassen dann alle 10m irgendwelche alten (typisch osteuropäisch gekleidetet und aussehenden) leute, die vor 2 säcken hockten und irgendwas auf ungarisch anpriesen. In den säcken befand sich nach erster meinung vogelfutter. Diese leute verkauften sonnenblumenkerne und irgendwas anderes mit schale (nüsse oder pistazien), die auch von den leuten rege gekauft und später im stadion vertilgt wurden (jeder zweite hatte da son berg schale vor sich). Fressbuden, bierbuden und fanzeugs suchte man vergeblich. Am stadion angekommen, gings dann gleich zum ticketschalter. Das stadion ist ein reines sitzplatzstadion und die preise waren erwartungsgemäß moderat: hinterm tor ("…da wo die ultras stehen…") 5,50 €, unterrang gerade 11,00 €, oberrang gerade, 13,00 €. Wir entschieden uns für den unterrang Im vgl dazu: ein schal sollte im/vorm stadion 11,00 € kosten). Im stadion bzw. auf dem vorplatz ging es dann eher familiär und überschaubar zu. Die klientel war gemischt, wie bei uns: familien, normale fans, ultras etc. es gab einen fensterverkauf, wo man neben frisch gezapftem (0,4 für 1,50 €) auch harte sache (vodka und sonstigen fusel) kaufen konnte. Das ordnungsperonal hingegen konnte klar einer politischen gesinnung zugeordnet werden. Finster drein schauende, kahl geschorene und tätowierte muskelberge (übrigens typisch für ungarns erste liga. Das ordnungspersonal in allen stadion ist von diesen nazis unterwandert), die uns aber trotz allem freundlich empfingen (war nur übertrieben, dass einer von denen später im stadion auch ne horde kinder grimmig beaufsichtigen durfte…). Also, vorm spiel noch schön ein paar pils gestämmt und dann rein ins stadion. Die plätze waren gut (höhe 16m-raum-linie). Der fanblock von ujepest war auch einigermaßen gefüllt, unsere tribüne auf der gerade war relativ voll. Die gegengerade war nur in höhe mittellinie recht spärrlich besetzt. Auf der anderen seite hinterm tor, im gästebereich, verliefen sich handgezählte 20 leute… vorm spiel gabs scheinbar (wir konnten es nicht verstehen) eine fair-play-aktion, die von den heimfans gnadenlos ausgepfiffen wurde. Davor gabs musik. Die vereinshymne gleich mehrfach… das spiel begann und die fans hinterm tor machten gleich mächtig support. Irgendwie klang da immer was mit "ferencevaros" durch. Wie bei uns: ferencvaros ist der erzfeind von ujpest und die wurde also mit schmähgesangen besungen. Nach 15min dann ein gellendes pfeiffkonzert aus dem nichts. Auf der gästetribüne marschierten wild gestikulierend 20 weiter personen ein, die sofort irgendwelche banner und blockfahnen am zaun befestigten und die einzige kleine fahne des gegners zuhingen. Ich vermute, es waren fans irgendeiner einer anderen mannschaft, denn bereits um 15 Uhr hatte MTK sein heimspiel ausgetragen. Von deren stadion bis zum susza ference stadion sind es ca. 45min. Würde also passen. Allerdings bin ich mir nicht sicher. Sicher scheint mir nur, dass die nicht zum gegner direkt gehörten, was sich auch dadurch zeigte, dass eben jene fans etwas stimmung machten, die "handgezählten" aber weiter teilnahmslos auf ihren sitzen kauerten. Später gabs dann noch ne OKF-party dort im block, sonts aber nix weiter erwähnenswertes. Das spiel war erecht ordentlich (gutes 2.liga-niveau), da hab ich in letzter zeit bei uns weitaus schlimmeres gesehen. Der gast ging irgendwann mitte der ersten hz in führung, was dem support aber keinen abbruch tat. Ujpest drückte dann aufs tempo, versiebte aber eine chance nach der anderen. Kurz vor der hz dann der ausgleich. In der halbzeit rechnete ich mit einem anstrum auf kiosk und toillette - weils der bzw. die einzige für die ganze tribüne war - aber, es war nix. Schön entspannt pinkeln (bei weißen kacheln und violotten wasserleitungen) und ganz entspannt ein pils holen. Das hat was… in der 2. halbzeit gings dann munter weiter. Kurz nach anpfiff dann notbremse der gäste im strafraum. Rote karte, 11m, tor. 2-1 ujpest. Die hatten das spiel dann auch im griff und legten kurz vor schluss noch das 3-1 nach. Mitte der 2. halbzeit gabs dann auch noch ne nette pyro-einlage, was aber das ordnungspersonal nicht interessierte. Scheint also normal zu sein dort. Abpfiff und das gewohnte bild: die mannschaft verabschiedete sich von allen tribünen. Die humba ist zum glück noch nicht bis budapest gekommen. Da kann man die pustasöhne nur drum beneiden. Was auffiel: 90minuten machte die tribüne einen dauersupport, der echt gut war. Es war permanent laut und auch abwechslungsreich, was von denen kam. Es gab keine pfiffe gg die eigene mannschaft.
Nachm spiel noch kurz das übliche: pinkeln und nen pils und dann ab zum bus. Der kam dann auch prompt, füllte sich und aufm weg zur metro gabs dann das altbekannte: singen, dann gegen die verkleidung kloppen, lampen rausdrehen usw. an der metro angekommen, sah man dann die leute in alle himmelsrichtungen verschwinden. Auf der rückfahrt war dann auch niemand mehr im zug, der vorher im stadion war… in der innenstadt sowieso nicht (wie auch schon vorm spiel nicht).
Auf jeden fall war es ein sehr interessanter besuch beim spiel. Das drumherum ist doch schon eine andere hausnummer (viel kleiner), als wir das von hier kennen.

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Schwarzgelbe Grüße von
: Holger & Eva