3 Tage Schottland, 2 Derbys und unzählige Liter Inselsaft – so lautet die
Grobbilanz des letzten, erreignisreichen Wochenendes auf der Insel.
Freitag begann alles mit unserem Hinflug nach Edinburgh. Nach dem wir
ziemlich dehydriert gelandet sind, wollten wir uns am Flughafen für den weiten
Weg nach Glasgow (ca. 45 min) noch mit dem einen oder anderen Kaltgetränk
eindecken. Aber scheiße, die Off-Licence-Shops führten keinen Alkohol. Egal. Der
Taxifahrer nahm uns auch gleich gebührend in Empfang, als er unsere schwarzgelbe
Berufbekleidung am Hals entdeckte. Als er erfuhr, weshalb wir nach Glasgow
wollten, war er in seinem Element. Er schmiss sofort eine Celtic-CD ein und
schwor uns aufs Derby ein. Wir sollten blos vorsichtig sein - das Derby wäre
purer Hass - da werden Leute abgestochen - wenn sie die falschen Farben tragen
etc. Net tauch die Geschichte, dass im Stadtteil der Rangers (Ibrox) angeblich
die grünen Männchen an den Verkehrsampeln vergittert sind, weil die Rangers die
sonst kaputt schlagen würden bzw. dies in der Vergangenheit wohl schon öfter aus
Frust auf den Nachbarn aus dem östlichen Stadteil Glasgows passiert ist. Das
hörte sich also schon mal gut an. Trotzdem waren wir nach unseren Erlebnissen
aus Liverpool im letzte Jahr doch etwas skeptisch, ob die Wahrnehmung nicht doch
wieder etwas übertrieben war und wir am Ende nicht doch wieder enttäuscht sein
würden. War auf jeden Fall schon mal ne ziemlich witige und kurzweilige Fahrt,
auch wenn der schottische Akzent natürlich alles abverlangt, was sprachlich
geht…
Samstagmorgen dann pünktlich 10 Uhr der Aufbruch bei Schneeregen zum
Celtic-Park zur Stadionführung. Wieder trocken, denn die Pubs öffnen erst ab 11.
Da fand aber die Tour statt. Wir würden von der Tourleitung herzlich empfangen,
als diese hörte, dass wir aus Deutschland kommen würden und zudem noch aus
Dortmund. Sehr nett. Die Tour war jedoch eher mau. Kabinen usw. konnten wegen
des Old Firms am Folgetag nicht besucht werden. Ansonsten hielt man sich eher
danit auf, jeden Pokal, den Celtic je gewonnen hatte, detailiert zu erklären.
Naja. Im Stadion dann noch ein paar nette Fotos mit BVB-Schal und noch einmal
ein tiefergehendes Gespärch mit der Tourleitung. Paul Lambert und Murdo MacLeod
waren natürlich bestens bekannt und alle wußten erstaunlich gut über unsere
Rolle in der Bundesliga bescheid. Sehr angenehm das ganze. Nach der Tour gings
dann, jetzt schon wieder kurz vor dem austrocknen stehend, zum nächstegelegenen
Bahnhof, um Richtung Motherwell zu fahren. Dort stand um 15 Uhr der Besuch des
Derbys Motherwell FC vs. Hamilton Academical auf dem Programm. Beide Städte
liegen ca. 20km von Glasgow entfernt und sind Nachbarstädte. In Motherwell gabs
dann auch endlich Pils. Im ersten Pub direkt am Bahnhof trafen wir dann gleich
auf eine Gruppe Gladbacher. Naja, ins Gespräch kam man nicht. Der Rspekt vor der
großen Borussia aus Dortmund war wohl zu groß…Der Fir Park mit seinen 12.000
Plätzen liegt typisch britisch, irgendwo und völlig unscheinbar in einem
Wohngebiet. Echt nett. Das Stadion besteht noch zum größten Teil aus Holz, daher
herrscht absolutes Rauchverbot. Alkohol sucht man leider vergeblich im Stadion.
Unsere Sitzplätze gefielen uns irgendwie nicht, also haben wir uns gleich mal
auf den Buisness-Seats breit gemacht. Das interessierte irgendwie keine Sau und
so konnten wir den Kick entspannt auf dunkelroten Kunstledersesseln verbringen.
Auch mal ein Erlebnis der besonderen Art. 4.400 Zuschauer fanden sich zu dem
Derby ein, davon ca. 200-300 Gästefans – wohl gemerkt, Hamilton liegt eine
Bahnstation von Motherwell entfernt. Aber die Schotten haben kaum Auswärtsfahrer
in der Liga, was mir einen Tag später auch noch jemand vorm Derby erzählte. Das
Spiel war typisch schottisch: hart, aber fair und hauptsache, die Kugel war in
der Luft. Alles andere führte zu teiweise bizarren Fehlpässen. Es wäre hier
durchaus mal interessant gewesen, eine Statistik einzuführen, wie lange der Ball
in der Luft ist. Ich glaube, sowas gibt es noch nicht. Entsprechend wurde das
Spiel auch durch einen Elfer entschieden. Während des Spiel brandete dann noch
2x mal Jubel im Ledersessel-Bereich auf. Verständlicherweise, als jeweils die
Nachricht der Tore gg Pauli uns erreichten…
Nach dem Spiel kamen wir dann vorm Stadion noch mit ein paar Einheimischen
ins Gespräch. Als Sie unsere Herkunft erfuhren, erzählten Sie voller Stolz und
mit leuchtenden Augen, dass sie ja 1994 im UEFA-Cup gegen uns gespielt hätten
und das sie sehr stolz sein, dass Leute wie Sammer, Möller und Chapuisat zu Gast
gewesen wären. Wieder eine Begegnung, die einen sehr stolz gemacht hat.
Überhaupt, während man in Egland ja eher bedacht mit seiner Deutschen Herkunft
umzugehen pflegt, war das in Schottland anderes. Wir fühlten uns da sehr
willkommen. Deutschland und Dortmund kam da sehr gut an. Nach ein paar Pils im
Pub und weiteren Nettigkeiten bzgl unserer Herkunft, gings zurück nach Göasgow,
wo der Abend bei einer sehr bitteren, bizarren und „fetten“ Karaoke-Show endete.
Also, sowas hat man noch nicht gesehen. In dem Laden waren nur hammervolle und
super hässliche Gestalten! Wenn man der Meinung war, der Grad an Peinlichkeit,
Fettleibigkeit etc wäre erreicht, ging die Tür auf und der nächste Kneipengast
toppte alles bisher dagewesene. Das ging soweit, dass einer unserer Mitfahrer
meinte, alles via I-Phone dokumentieren zu müssen. Dummerweise kam das nach 2
Stunden raus und es drohte für uns brenzlig zu werden. Glücklicherweise waren
die Leute dort aber alle schon so voll, dass es den Kerlen egal war und die
Weiber nur etwas am rummeckern waren. Das haben wir aber aufgrund des Akzents
nicht wirklich verstanden, so dass wir weiter unser Pils tranken – die Doku aber
zur Sicherheit einstellten…Fotos existieren aber…. Die beste Durchsage des
Abends lautete „Dear Ladies, don´t piss in the sink“. Daran kann man abschätzen,
was der Laden soll alles hergab…
Sonntag dann endlich Old Firm. Die Stadt war fest in Grüner Hand, was wir
erstmal drauf hinausführten, dass Celtic ein Heimspiel hatte. Bier gab es nicht.
Das Old Firm findet immer Sonntagsmittag statt, damit die Leute nicht völlig
begast ins Stadion gehen. Die Pubs machen erst gg 12 Uhr auf, vorm Old Firm,
rund ums Stadion jedoch erst mit Anpfiff. Wir waren ca. 10.30 Uhr am Stadion und
es war schon gut was los. Beide Mannschaften kamen nacheinander in neutralen
Bussen und wurden entsprechend empfangen. Als die Rangers ankamen wurde die
Celtics von der berittenen Polizei aufgefordert, nicht zu doll zu pfeifen.
Wieder kam es dazu, dass uns Leute wegen unserer Schals anquatschten. Immer
wieder ging der Daumen hoch, wenn sie schwatzgelb sahen. Im Stadion waren wir
ca. ne halbe Stunde vor Anpfiff. Da war schon gut was los. Die Leute peitschten
sich schon ordentlich mit Liedgut ein. Auch der Rangers-Block – ca. 7.000 – war
voll. Auch hier kam es immer wieder zu guten Schlachtgesängen. Eine wirklich
tolle Atmosphäre. Interesannt ist auch, dass für die Rangers eine Straße
komplett abgesperrt wird, die dirket in den Gästeblock führt. Man hat keine
Chance Rangers-Fans zu begegnen.
Aber wir waren nach wie vor skeptisch, ob
diese Atmosphäre auch das Spiel über halten würde oder ob es nicht wieder mit
Anpfiff still werden würde. Der Höhepunkt sicherlich YNWA, wo nach der ersten
Strophe die Musik abgestellt wird und alle das Lied in einer wirklich
wahnsinnigen Lautstärke zu ende singen. Also wirklich alle (bis auf die Blauen
versteht sich). Unglaublich geil. Marcel hats bei Facebook eingestellt.
Unbedingt mal ansehen! Auch geil ist eine Celtic-Version zum Depeche Mode-Song
"Just Can't Get Enough". Da brechen irgendwie alle Dämme. Ansonsten
merkte man einfach, das Derby war. Alles war vergleichbar mit dem, was wir vor 2
Wochen erfahren haben. Absoluter Hass auf die Blauen, absolute Anspannung wegen
des Spiels und absolute Erleichterung bei jedem Celtic-Tor. Mit Anpfiff ging
dann alles glücklicherweise in der gleichen Lautstärke weiter. Während man
anfangs die Blauen – die übrigens zur Provokation „God save the Queen“ singen –
hören konnte, wurde dies im Laufe des Spiel schnell weniger. Hinterher war nur
noch Schweigen zu hören, was von den Celtic-Supporters auch eindrucksvoll unter
Beweis gestellt wurde. 3-0 für Celtic am Ende, in einem Spiel auf
Bundesligadurchnitt, wenn überhaupt. Der Typ, der neben uns sass, pogte uns nach
jedem Tor um und hing uns am Hals. War sehr nett von ihm, da unser Mitfahrer und
sein direkter Sitznachbar mit Krücke im Stadion war. Keine Rücksicht auf
Verluste. Geiler Vogel auf jeden Fall, mit Ruhepuls 300.
Das Erlebnis war großartig und absoluter Wahnsinn. Nach Spielschluss
verweilten wir noch etwas im Block. Ein paar Paulianer kreuzten da auch auf und
wir machten kurz nochmal auf unsere Herkunft aufmerksam, bevor wir vom
Ordnungspersonal per Handschalg mit einem „Auf Wiedersehn“ verabschiedet wurden.
Dann endlich ab zur Tränke, die Eindrücke sacken lassen. Wir kreuzten dann in
einem Pub in Stadionnähe auf, wo der Punk richtig abging. Letztlich haben dort
noch unsere Schals verschenkt (was wir aber später bereuten), einen Bayern-Fan
niedergesungen, den Schotten den „Schreck vom Niederrhein“ gesungen und
ordentlich Pints gekippt, bis wir wieder im Bus Richtung Innenstadt fuhren. Im
Bus stimmten wir nochmal kurz Conny Cramer und die blauweißen Parasiten an und
hatten natürlich die Lacher auf unserer Seite. Der Abend klang dann irgendwie
aus, dumm nur, dass die Sperrstunde einen dazu zwingt, irgendwann auf die Suche
nach Clubs zu gehen, um noch was zu trinken zu bekommen. Naja, klappte aber auch
irgendwie bis doch etwas später in die Nacht.
Montag gabs dann noch zum Abschluss und mit doch schwerem Kopf eine
Stadionführung im Hampden Park, dort wo wir 1966 den Europapokal gewonnen haben.
2 Deutsche und 8 Engländer – war auch witzig und nett. Meinen Vorschlag an die
Tommis, wir sollten im Augfwärmraum (das war eine 20m lange Halle mit Kunstrasen
und 2 Toren) ein 11m-Schießen D-ENG veranstalten, erwiederten die Jungs ziemlich
konsterniert mit: „Nee, lass mal. Das gewinnt ja eh ihr.“. Man durfte dann da 2x
auf ein Tor schießen, wo die Geschwindigkeit gemessen wurde. Als ich 2x vorbei
bzw. drüber geschossen hatte, meinte der Tourguide nur, ob ich mir sicher sei,
dass ich Deutscher sei…Jener Tourguide meinte auch Jürgen Klopp als „The German
Mourinho“ zu bezeichnen, als er unsere Vereinsherkunft zu Beginn der Führung
erfragte. Nach 2 Abschiedgetränke gings dann zum Flughafen und über London
zurück nach Dortmund.
Leute, ich kann euch diesen Tripp nur empfehlen. Sollte jemand von Euch mit
dem Gedanken spielen, mal auf die Insel zu nem Spiel zu fliegen, nehmt das Old
Firm!
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Schwarzgelbe Grüße von: Holger & Marcel