Donnerstag, 19. Dezember 2013

Marseille is, wenn ein Schwatter im Bahnhof Celine Dilon am Klavier spielt

Dienstag geht die Reise los. Von Dortmund, Düsseldorf und Köln starten die ersten Vorboten von Schwarz-Gelbsucht Richtung Düsseldorf Flughafen. Nach den ersten Begrüßungsgetränken ("Kleine oder große? – "Große!!!") gegen 08.15 Uhr im Terminal, startet der Flieger pünktlich um 10.15 Uhr. Über Paris geht’s an die französische Mittelmeerküste nach Marseille. Nach ca. 5 Stunden Reisezeit erreichen wir gegen ca. 15 Uhr Marseille und sehen im Landeanflug die schwarzgelben Helden ebenfalls landen. Ohne mit der Wimper zu zucken geht’s gleich weiter Richtung Ausgang wo auch schon eine Traube Schwatzgelber auf die Mannschaft wartet. Auf ein paar Spieler sowie den Betreuerstab können wir einen Blick werfen. Man vermisste vor allem Nuri Sahin, war sich aber schnell einig, dass er mit einigen anderen im ADAC-Flieger nachkommen würde. Der Tross bis auf Teddy sind ziemlich angespannt und eher mit sich selbst beschäftigt. Für ein paar nette Gesten Richtung uns Fans ist leider keine Zeit. Schade, aber auch egal. Winken können sie uns ja noch am Mittwochabend.

Per Bus geht es in die Stadt. Unterhopft wird im Hauptbahnhof von Marseille erst mal die regionale Hopfenklasse angetestet (Und zwar den Affigen – sic!). Tat gar nicht weh im Mund… Per U-Bahn geht’s dann weiter Richtung Hotel. Nach drei Stationen landen wir in einem Viertel der Güteklasse "Nordstadt". Auch egal. Das Zentrum des Islamismus ist es nicht unbedingt, oder doch? Keiner weiß es so recht und die Straße, in der unser Hotel, liegt hat auch eher einen untypischen Verlauf mit großem Krankhauskomplex als größten gemeinsamen Teiler im Viertel. Das veranlasst uns auch gleich zu einem unfreiwilligen Rundgang in unserem Viertel. Hinter einem Gitterverschlag finden wir dann nach längerer Suche unser Hotel, was eher einem Hochsicherheitstrakt mit Blick auf irgendeine Bauruine ähnelt. Aber auch das ist echt egal. Der Fokus liegt auf dem Achtelfinale und die Gegend haben wir uns jetzt schon ohnehin schön geschlürft.

In der Lobby warten die ersten Schwatzgelben und gleich die Überraschung des Zimmers: Raum 504. Wer einmal diese Zahlenkombination morgens auf dem Digitalwecker gesehen hat, der weiß, was Schmerzen bedeuten. Nicht umsonst steht der blaue Rolf R. seit Jahrzehnten zu dieser Uhrzeit auf… Da hat uns unser Präsi ja in eine schöne Scheiße geritten! Das Verlangen nach einer Menge Spaß lässt uns den Schock schnell überwinden und wir beschließen, schleunigst was Flüssiges zu essen. Dummerweise findet sich weit und breit keine angemessene Tränke. Nach elendig langer Suche finden wir den erst besten Laden, was sich im Nachhinein als Glücksgriff entpuppen sollte. Fans von OM sucht man übrigens vergeblich. Nichts deutet in der Stadt auf Fußball, außer ein paar Jungs in Chelsea-Klamotten und ab und an mal einer in Barca-Zeugs.

Trotz Rauchverbot im Lokal, serviert der Wirt mit dickem Stumpen auf dem Zahn. Auch sonst wird munter gequarzt, was das Zeug hält. Und das Bernstein fließt ordentlich. Die Reisegruppe gabelt zwei Franzosen auf, Rugby-Fans aus dem Norden, die mit Fußball nichts am Hut haben und beruflich in der Gegend sind und Marseille hassen. Man ist sich schnell sympathisch mit Jean-Pierre (im Folgenden der Einfachheit halber Jean-Paul genannt) und Gaeton (später nur noch Jay-Toni gerufen) und tauscht ein paar Kaltgetränke aus. Jay-Toni, der jüngere der beiden, soll uns schließlich auf Anweisung des Älteren in einen Irish Pub lotsen, dem besten Laden Marseilles. Nachdem wir 20min gelaufen sind und der Kollege aus Frankreich ordentlich Platz auf dem Bürgersteig braucht, macht sich Misstrauen breit. Mit der letzten Überzeugungskraft und dem Gottvertrauen, das Jay-Toni eigentlich ein guter Mensch ist, erreichen wir tatsächlich den Pub im alten Hafen von Marseille. Endlich eine nette Gegend mit einladendem Flair! Der Laden entpuppt sich schnell als das, was wir uns eigentlich nicht zu hoffen erträumt hatten. Schwatzgelbe soweit das Auge reicht, Party, gute Stimmung und ein Ambiente, in dem sich bereits etliche englische Fans sämtlicher Vereine mit Schals unter der Decke verewigt hatten. Die Schlagzahl wurde mal eben kurz erhöht. Jay-Toni und der mittlerweile aus dem Nichts aufgetauchte Jean-Paul kapitulierten irgendwann, spätestens nach dem das legendäre 0,5-exen exerziert wurde. Dummerweise hören die Taxifahrer schon um 19.04 Uhr auf zu Arbeiten, so dass ein Teil der Reisegruppe den langen und vermutlich auch – nüchtern betrachtet- nicht gerade risikofreien Weg zum Hotel zu Fuß anzutreten.

It´s Matchdy! Nachdem ein umfangreiches, aber gewöhnungsbedürftiges Frühstück in einer Bäckerei – oder wie auch immer man diesen Laden bezeichnen mag – zu sich genommen wurde, sollte die Stadt ein wenig erkundet werden. Es sollte wenigstens ein kurzer kultureller Umweg in den alten Hafen genommen werden, wo gegen Mittag die alten Auswärts-Veteranen Akki, Matthias und Mo in Empfang nehmen wollte. Die Stadt haut, trotz offizieller Kulturhauptstadt 2013, nicht wirklich um. Auf den Straßen haben Legionen Hunde ihr Revier markiert und viele Gebäude befinden sich in der Renovierungsphase oder haben schon den Status „hoffnungslos“ erreicht. Lediglich zwischen altem und neuen Hafen präsentiert sich die Stadt von einer netten Seite.

Im alten Hafen ist es dann erst mal an der Zeit, mit Akki und Matthias und später dann auch Mo anzustoßen. Wobei anstoßen vielleicht etwas zu bescheiden klingt. 240 € stehen am Ende des zweistündigen Warm-ups auf der Rechnung. Vollgas also nicht nur auf dem Platz. Während Nicole, Manuel und Michael einfach auf der Suche nach Sehenswertem nicht aufgeben wollen und die Altstadt erkunden, vergrößert sich die trinkfreudige Reisegruppe noch mal um zwei weitere Dortmunder. Zielgerichtet geht es zum Showdown des Vorabends in den Irish Pub. Unter der großen Inter City Firm Flagge geht’s auf in die nächste Runde. Der Wirt ist West Ham Fan. Über der Theke hängt zudem ein Chris Waddle-Schal, der seinerzeit mal bei OM unter Vertrag stand. Über „seine Zeit“ bzw. die Heldentat, die Hr. Waddle 1990 in Turin erbracht hat, klären wir mal kurz den Wirt auf… Die Zeit verstreicht und als das Gerücht die Runde macht, es solle doch einen Fanmarsch geben, entschließen wir uns, dorthin zu fahren. Fahren geht in diesem Falle aber nur mit dem Taxi, von dem wir dann auch gleich zwei brauchen. Ein Taxi ist schon schwierig genug, denn die Freunde mit der Leuchtreklame auf dem Deckel, fahren einfach weiter, wenn sie schwatzgelb sehen. Als wir dann endlich eins angehalten bekommen, hat der Bruder gleich das Dollar-Zeichen in den Augen und ist im Abzockmodus. Uns egal, aber ein Teil unserer Reisegruppe beschließt lieber eine Alternative zu suchen. Nach sinnfreiem Gewaltmarsch um den Häuserblock, stranden wir ungeahnt wieder vor dem Irish Pub und steigen dort in die U-Bahn Richtung Stadion.

Das Stadion liegt in einer eher komischen Gegend, mit dem Charme einer 3-spurigen Autobahn. Trotzdem – und das muss man dem Franzosen positiv anrechnen – sind sie auf die trinkfesten Borussen vorbereitet. Pils bekommt man an jeder Ecke, aus der Dose und zum Freundschaftspreis. Egal. Das Stadion selber ist eine Riesenbaustelle. Die Organisation chaotisch. Wir wollen einchecken. Mo und Nicole sind drin, Basse fast, aber beim Blick auf Holgers Ticket sieht das geschulte Personal, dass wir ja zum Auswärtsblock müssen. Basse und Holger machen sich auf den Weg, im Glauben, dass der Rest ja drin sei. Später stellt sich heraus, dass man Nicole, Michael und Mo auch wieder raus geschickt hat. Der Präsi unterdessen sucht immer noch den Fanmarsch. Voller Tatendrang und mit Kompass im Urin ist der eine Station eher ausgestiegen, um festzustellen, dass es den Marsch gar nicht gab… Die Suche nach besagtem Eingang für den Gästesupport entpuppt sich als schwieriges Unterfangen. Als wir langsam nervös werden und uns schon fast ums gesamte Stadion wähnen, sehen wir weitere verzweifelte Schwatzgelbe. Ein netter Ordner lässt uns dann doch, ganz unkonventionell, durch einen Bauzaun ins Stadion. Weil wir so nett und nüchtern sind, verzichtet man auch gleich auf eine überdimensionierte Sicherheitskontrolle…

Ab in den Block, wo wir dann auch alle wieder treffen. Der Gästeblock ist leider erneut nicht voll. Schade, aber scheinbar scheint es ein Sättigungsgefühl in der Szene zu geben, gepaart mit der Tatsache, dass viele schon vor zwei Jahren in Marseille waren. Und Marseille ist jetzt nun auch nicht unbedingt eine zweite Reise wert ist, da muss man zugeben. Neben uns supporten zwei Gestalten mit. Einer Ende 50, Pole und Lewandowski-Fan, der andere mit Rauschebart, Mitte 30 und Chilene, der seinen Sold bei der französischen Fremdenlegion verdient. Als das Spiel mitte der ersten Halbzeit vor sich hinplätschert bzw. wir das große „Wer trifft den Möbelwagen hinterm Tor“-Spiel spielen, diskutiert Holger mit dem Legionär intensiv die Untiefen des chilenischen Fußballs. Nebenbei werden die beiden mal eben kurz auf Drehzahl in Sachen Borussia gebracht und supporten auch kräftig mit. Als man ganz stolz mit 2 Pils in der Hand in den Block kommt und der freundliche Hinweis von Holger kommt, ob man sich nicht wundern würde, das niemand Pils trinkt, wird ungläubig geschaut und das Gesöff mürrisch entsorgt…

Irgendwann realisiert auch der letzte im Block (Holger), dass wir bei dem Spielstand RAUS sind. Entsetzen, Ungläubigkeit. Dann kommt Kevin und alles ist gut.

Die Blocksperre dauert ungewöhnlich lange. Als wir raus sind, entern wir die erst Pommesbude, wo definitiv Pils verkauft wird. Heineken aus 12er-Packs. Als Holger fragt, ob er eine Box kaufen können, wird das vehement verneint. Zehn Dosen in der Kiste gehen aber. Die Logik verstehe wer will… Mit der Box unterm Arm geht’s wieder auf die krampfhafte Suche nach einem Taxi. Der Präsi, auf seinem Frankreichfeldzug im Block schwer verwundet, schleppt sich nur noch durch die Gegend, nach dem er beim Jubelorgasmus Basse angesprungen und dabei umgekippt ist. Das Taxikriegen ist wieder eine Herausforderung. Nach elendig langer Zeit schaffen wir es, mit Ziel Irish Pub, wo der Sieg bei Biohazard gebührend bis zur Sperrstunde begossen wird.

Der nächste Tag beginnt wieder mit dem obligatorischen Frühstück beim  Keine-Ahnung-was-fürn-Landsmann in der Idylle des islamistischen Viertels von Marseille. Alle sind doch etwas angezählt vom Vortag und beschließen, umgehend Richtung Bahnhof zu fahren, Kaffee zu trinken und dann in Ruhe Richtung Flughafen zu schippern. Im Bahnhof klimpert ein Schwatter auf einem Klavier, wir sind etwas orientierungs- bzw. planlos. Horst versucht uns zum günstigsten Cafe in Frankreich zu lotsen, klappt aber nicht. Sein Hinkebeinchen macht schlapp und wir beschließen, beim altbewährten, goldenen M eine Kaffee zu trinken.

Wir lassen uns im Außenbereich nieder und dümpeln so vor uns hin. Etwas Hektik kommt auf, als ein paar Araber – Kategorie 3er BMW – auflaufen. Schnell ist klar, was da abgeht: neuer Stoff wird geliefert. Die MCD-Bedienung machen mal kurz ein Päuschen um sich einzudecken, Schüler, Banker usw. alle halten kurz das Patschehändchen auf und gehen weiter. Nur ein ordnungsliebender Bediensteter des goldenen M aus Schwarzafrika, versucht vergeblich, die Jungs zu vertreiben. Was ihm vorher bei den Bettlern noch gelungen ist, gelingt ihnen beim Afghanentaxi nicht. Was ein Spießer… Kurze Zeit Später Hektik Nummer 2: die Bullen fallen ein und interessieren sich für die Jungs aus dem Nahen Osten. Einer macht auf Unschuld und darf nach intensiver Kontrolle gehen. Der nächste macht auf Obercool und darf bleiben. Nur der Hibbelige von den dreien – natürlich auch unschuldig, muss die Staatsdiener begleiten. Die Szene löst sich auf. Der Coole öffnet den Mülleimer von MCD und holt das angequalmte Tütchen raus und raucht es weiter. Uns bleibt die Spucke im Hals stecken. Ein echter Profi. Das wars, wir haben genug gesehen von Marseille. Nach ein paar Rotweinfläschchen im Flieger zum Runterkommen bzw. wieder-auf-Sendung-kommen landen wir gegen 20 Uhr wieder in Düsseldorf. Das Achtelfinale im Gepäcke und zwei super lustige Tage in Marseille erlebt.

Nur der BVB.

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Schwarzgelbe Grüße von
: Nicole, Holger, Basse & Manuel

Montag, 2. Dezember 2013

Eine Co-Farce

Wir fahren mit dem Bus zum Hauptbahnhof in Mainz, von wo aus Shuttlebusse starten. Nach den Berichten aus der Vorsaison hatte ich auch eine ungefähre Vorstellung. Und siehe da: Am Stadtrand tauchte plötzlich ein riesiger Baumarkt auf. Die Shuttles halten aber nicht etwa davor, sondern 500 m weit weg.

Die erste Kniffeligkeit: Der Eingang für die Gästefans ist nicht auffindbar. Doch dann sehen wir im Acker 2 Tore. Von dort müssen wir durch einen Tunnel zurück ins Stadion. Allerdings mussten wir erst mal reinkommen. Die Frauen haben einen extra Eingang und warteten bereits auf uns, während wir die Verbote studieren: Weinpulle und –glas sowie Sektglas haben wir eh nicht dabei. Das Bier schien erlaubt. Leider hatten wir keins, da auf dem ganzen Weg bis zum Baumarkt kein einziger Stand oder ähnliches war… Ein Problem deutete sich ab: Klorollen, Leitern und Koffern waren ebenfalls verboten – was daheim zu meiner Standardstadionausrüstung gehört. Wenigstens hatte ich mein Nunchaku daheim gelassen…

Im Stadion entsteht schnell eine Diskussion, welcher Spieler welche Rolle habe. Die Spieler scheinen scheinbar die gleiche Frage zu haben. Das (d.h. unser) Spiel ist entsprechend schlecht. Trotzdem gewinnen wir.

Traurig ist die Hardcore-Werbung: Man stelle sich vor, daheim von Nobby mit folgenden Worten begrüßt zu werden: "Wie ist die Stimmung auf der Landesbank Nordrhein-Westfalen Tribüne?"
Wir gehen in die Baumarktkneipe und zu allem Überfluss kommt auch noch der Manager vorbei. Wir trinken mit den Mainzer Fans ein paar Pils. Der Eine ist eigentlich Stuttgart-an, der andere eigentlich KSC, aber das gestehen wir denen mal zu, ist ja noch ein recht junger Verein (was den erfolgreichen Fußball angeht - erkennbar am Baumarkt statt am "richtigen" Stadion).

Später in der Stadt geht es weiter in einem Laden wie unserem Stade nur mit weniger Asseln. Überall bekommen wir (trotz des unverdienten Sieges!) Sympathiebekundungen. Schon sehr angenehm, nach dem Spiel zu feiern, ohne angepöbelt zu werden. Der Trip ist nächste Saison wieder gebucht!

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Schwarzgelbe Grüße von
: Manuel & Steffi