Freitag, 17. Januar 2014

Die Festung

Twente Enschede – Heracles Almelo 3:1
Die alljährliche Tour ins Nachbarland – diesmal mit Mo und Chrissy in Begleitung - führte in diesem Jahr erstmalig nach Enschede. Ziel war das „De Grolsch Veste“ – Die Grolsch Festung. Im langweiligen und einfallslosen Dschungel neumodischer Arenen, Parks, Schlauchboote und Getränkehallen, endlich mal ein einfallsreicher Sponsorenname für ein Fußballstadion. Sympathisch fiel zudem auf, dass kein Einkaufszentrum (wie in Amsterdam) oder eine Multifunktionshalle mit Dach (Arnheim) angeschlossen war, sondern, dass die Festung nur ein einfaches, stinknormales Stadion ist.
Twente hat trotzdem seine unsympathischen Seiten. Seit ca. 20 Jahren besteht eine innige Fanfreundschaft mit den Blauen. Demzufolge sah man im Stadion auch viel Blaukraut, was seine hässlichen Farben zur Schau stellen musste. Ekelhaft.
Das Stadion liegt in einem Industriegebiet abseits der Stadt. Trotz Empfehlung, irgendeinen kostenfreien Parkplatz in dem Industriegebiet zu suchen, folgten wir dem Strom über eine kleine Einbahnstraße direkt zu den Parkplätzen vorm Stadion. Oh Gott, hier droht ein zweites Mönchengladbach, waren die ersten Gedanken, als wir erkannten, wohin der Weg führte und es kein Zurück mehr gab. Außer einer Flasche Wasser hatten wir keine Nahrungsmittel mehr bei uns – das konnte also eine lange Nacht werden, wenn sich dieses befürchtete Gladbach Reloaded bewahrheiten sollte…
Der Parkplatz kostete 5,00 € und befand sich unweit des Stadions. Alles wirkte, trotz des hohen Verkehrsaufkommens völlig unaufgeregt und entspannt. Am Stadion warfen wir gleich mal einen Blick in den Fanshop. Klein, modern und mit dem üblichen Nippes gefüllt. Die gefürchteten und von meiner Kartenquelle angekündigten Freundschaftsschals fielen uns zum Glück nicht ins Auge…
Dafür aber eine Kneipe im Stadion, direkt gegenüber. VAK P hieß der Laden und aus den Boxen hämmerte Technosound. VAK P ist der Ultrablock von Twente und hier stehen, laut meiner Kartenquelle, bei jedem Spiel bis zu 20 Asseln aus Gelsindelkirchen.  Also, weder Mucke noch Klientel in diesem Laden sprachen uns zu, so dass wir uns auf den Weg Richtung Eingang machten. Am Eingang wirkte alles ebenfalls herrlich entspannt, obwohl es nur noch 20 Minuten bis zum Anstoß waren. Kein Gedränge, alles easy. Sicherheitskontrollen gab es nicht, obwohl genug Ordner präsent waren. Auch mal angenehm, nicht gleich in Sippenhaft genommen zu werden.
Unsere Plätze lagen leider nicht nebeneinander, was der Tatsache geschuldet war, dass die Idee zu diesem Spiel zu fahren, erst sehr kurzfristig entstand. Wir hatten Plätze hinter einem der Tore, die aber echt gut waren. Twente erlaubte sich zwar einen „Derbyaufschlag“ von 10 € zu nehmen, aber für 37 € kann man selbst über die Plätze nicht meckern.

Heimspiele von Twente sind immer sehr gut besucht, zudem hatte das Spiel Derbycharakter. Almelo liegt nur ca. 25 km von Enschede entfernt. Allerdings handelt es sich eher um ein Derby á la BVB gegen Bochum, wo eher die räumliche Nähe das Derby prägt, als die sportliche Rivalität. Das bestätigt auch, dass für das Spiel ca. 1.000 Gästekarten zur Verfügung standen. Gästefans sind in Holland bei brisanten Spielen eher nicht zugelassen. Und in Holland gilt nahezu jedes zweite Spiel als brisant. Allerdings wurden nur 500 Karten an Heracles abgesetzt, so dass der Gästeblock nur zur Hälfte gefüllt war und das Stadion auch nicht restlos ausverkauft war. Generell ist es schwierig in Holland Karten zu bekommen. Seit Jahren haben die Vereine Clubkarten eingeführt, also ein Registrierungsmechanismus, ohne welche eigentlich nichts geht. Trotzdem habe ich bisher die Erfahrung gemacht, dass die meisten Vereine für einzelne Spiele eine Ausnahme machen, wenn man nett anfragt. Bei Twente geht aber ohne Karte normal nichts, obwohl Twente mittlerweile sogar den kargen und blau getränkten Markt im westlichen Münsterland entdeckt hat und dort sogar Ticketshops eröffnet hat, benötigt man trotzdem eine Clubkarte. Zum Glück hatte ich letztes Jahr jemanden über ein Internetforum in Holland kennen gelernt, der bei der Ticketbeschaffung für die Eredivisie sehr hilfsbereit ist. Diesmal konnte derjenige 3 Karten über seine Clubkarte für uns klar machen.
Der Gästeblock kam sehr laut rüber, was vermutlich auch daran lag, dass er direkt über uns lag. Der Support von Twente war eher mau. Wie mein Kartenquelle mir erklärte ist das wohl seit Jahren so – vermutlich wegen dem ständigen blauen Gesocks im Stadion – was daran liegt, dass auch in Enschede die eigentlichen Werte des Fußballs mehr und mehr verkauft werden. Seit einiger Zeit schmeißt man sich wohl jedem Investor an den Hals, der nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Die Fanszene ist wohl ziemlich sauer gefahren, was sich wiederum durch den mangelnden Support zeigt.
Vorm Spiel wurde auch hier das mittlerweile (leider) in vielen Stadien obligatorische YNWA gespielt – im Original – aber trotzdem durch den späteren Ohne-Musik-Gesang der Tribünen ziemlich verunstaltet.
Das Spiel war eher von der Güteklasse Paderborn gegen Aue (Zitat Mo), obwohl Twente an diesem Abend mit einem Sieg Tabellenführer werden konnte. Almelo dümpelt irgendwo im Niemandsland rum. Körperlos, tempolos und für holländische Verhältnisse auch mit vielen Stockfehlern. Der eine oder andere konnte ansatzweise bei Twente gefallen, Almelo hatte eigentlich kaum einen herausragenden Akteur. Das war alles ziemlich bieder. Einzig der Ex-Blaue Dauerreservist Cziommer stach ein bisschen hervor, da er hier und da mal eine Idee hatte oder durch typisch blaues Gejammer und Gestikulieren auffiel. In die Halbzeit ging es dann mit 1-0 für Twente. Pro Tribüne gab es einen kleinen Getränkestand. Wer noch einmal über die schleppende Versorgung im Westfalenstadion meckert, sollte sich mal versuchen in der Festung zu besaufen! Twente hat, wie viele holländische Stadien, ein Münzsystem zum Bezahlen. Eigentlich total einfach und meines Erachtens tausendmal einfacher und sympathischer als ein Stadiondeckel. Kleines Bier 1 Münze, Großes 2 Münzen usw. Mindestens 10 € muss man in Münzen tauschen, an einem Automaten, der unter der Tribüne hängt. In der Halbzeit stach uns dann auch gleich eine Gruppe kleiner Nachwuchs-UGEler auf, die ihre Kontakte zu den Einheimischen knüpfte. Leider wollte uns keiner von den Blagen anrempeln…
Die Story zur zweiten Halbzeit ist dann schnell erzählt. Twente im BVB-Modus, beste Chancen wurden ausgelassen. Irgendwann dann 2-0 und der Drops schien gelutscht, vor allem als ein paar Minuten drauf auch noch ein Spieler von Almelo mit Glattrot runter musste. Kurz drauf – ebenfalls BVB-Modus – der Anschlusstreffer durch einen haarsträubenden Abwehrfehler in der Twente-Deckung. Almelo merkte dann, dass vielleicht doch noch was gehen könnte und wurde mutiger, wenn auch nach wie vor mit bescheidenen Mitteln. Twente wackelte. Erst ein Elfer kurz vor Schluss brachte die Entscheidung und die Holländer verfielen in eine ganz komische Schunkellaune. Ganz seltsame Kultur plötzlich. Schlimmer als Andy Schabe und alle Schlagerbarden zusammen, mit denen wir im Westfalenstadion so beschallt werden. Egal, Ende, Aus. Heimweg.
Das befürchtete Gladbach fiel aus. Wie mir schon bei anderen Spielen in Holland aufgefallen war, haben die Holländer ein echt gutes Verkehrskonzept nach dem Spiel und regeln die Zuflüsse von den einzelnen Parkplätzen durch Ordner. Somit hielt sich die Zeit im Stau vom Stadion auf die Hauptverkehrsstraße in erträglichen Grenzen.
Fazit: nettes Stadion, nette Atmosphäre. Trotzdem, blaues Gesindel im Stadion braucht kein Mensch. Da die Schlümpfe aber von Natur aus einen Hang zu biederem und erfolglosem Fußball haben, ist zu verstehen, dass sie eine Affinität zu Twente entwickelt haben…
 Nur der BVB

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Schwarzgelbe Grüße von
: Holger, Mo & Chrissy