Sonntag, 19. April 2015

Wir lagen träumend im Gras...

Vorgeschichte:
„Juhu Turin“, dachten wir alle, als das Los gezogen wurde. Endlich mal nicht so weit. Aber der Verein machte uns einen Strich durch die Rechnung. Keine Karten. Und ich hatte meine letzten drei Tage Resturlaub dafür eingeplant und eingereicht. Unser Auswärtsirrer hatte über dubiose Kanäle eine Karte organisiert und eine Ich-Flieg-Von-Irgendwo-Nach-Irgendwo-Bloß-Nicht-Von-Daheim-Zum-Ziel-Tour (Auto nach Weeze, Flug nach Bergamo, Leihwagen nach Mailand und dann nach Turin) gebastelt und ein paar andere Bekannte wollten unbedingt eine Ochsentour mit dem Bus machen. Ich bekam tatsächliche eine Karte über unsere Lieblingshotline. Aber allein? Fast wär mir die Lust vergangen…

Auf ins Piemont:
Ich hatte einen Flug von Eindhoven direkt nach Turin gebucht für schlappe 100 Piepen – hin UND rück versteht sich. Also richtig Geld sparen ließ sich mit dem der Busgurkerei nicht wirklich. Einzig die Flugzeiten waren nicht grade optimal: Am Dienstag um 4:00 Uhr ging es daheim los. In Deutschland ist da auf den Straßen absolut nichts los. Eine Stunde später bin ich auch schon bei unseren entspannten Nachbarn. Auf der Autobahn um diese Zeit befinden sich in den Niederlanden offenbar ausschließlich LKW. Eindhoven scheint die Stadt „Der-frühe-Vogel-kann-mich-mal“ zu sein. Autos oder Fußgänger – Fehlanzeige. Vor 6:00 hatte ich bereits den Wagen verlassen. Köln-Bonn ist kaum näher.
Am Flughafen sah ich nur fünf Turin-Fans mit Joggingbuxen und einer schlauerweise in schwarz-gelb. Diese wähnten sich in der Überzahl und stimmten kurz ein Fangesang ein, als sie mich sahen. Konnte es sein, dass niemand auf die gleiche Idee wie ich gekommen war? Im Flieger sah ich dann plötzlich fast nur noch richtiges schwarz-gelb. Ich hatte offenbar ein Topplos beim Sitzplatz gezogen: Neben mir ein Stinker und als ich grade Platz genommen hatte, kam ein richtig Fetter Typ für den anderen Platz. Unaufgefordert gibt ihm die Stewardess (die Saftschubsen sind von der Kleidung irgendwo zwischen Küchenpersonal und Putzfrau angesiedelt) eine Gurtverlängerung – eigentlich überflüssig, denn er war ja mit seinem Wanst am Vordersitz arretiert.
Nach der Landung bekommt man eine wundervolle Kulisse geboten: Die Hälfte des Flughafens ist vom Alpenpanorama eingerahmt. Durch hässliche Vororte geht es in die doch recht schöne und vor allem pompöse Stadt. Vor 5 Jahren war ich mit meiner Frau schon hier und erinnere mich an einige Stellen. Auch gegen Turin war ich schon in Italien. Vor genau ziemlich 20 Jahren. Allerdings hatten die damals ein Heimspielverbot und mussten im altehrwürdigen San Siro Stadion in Mailand ran.
Als ich mit meinem schwarz-gelben Schal über den Markt laufe, ruft mir ein Händler „Dschiro, Dschiro“ hinterher und auch sonst alles eher eine freundliche Atmosphäre. Und so geht es weiter: Die befürchtete Langeweile ergibt sich nicht: Zunächst treffe ich den ersten Michael von meinem Trip nach Donezk. Wir trinken ein paar 0,33 Pils und mit dem Aufdruck „since 1997“ tun auch die 5 Euro nicht weh. Danach treffe ich den zweiten Michael von meinem Trip nach Donezk. Zwei Jahre ist der nun her und können uns kaum vorstellen, dass das heut nicht mehr möglich ist. Unser Mitgefühl ist bei diesen Menschen. Diesmal gibt es 0,5 Liter Wein für ebenfalls fünf Euro und dazu Gläser mit Aufdruck Dortmunder Union. Sehr schön.
Die Organisation des 25-minütigen Bustransports der Fans zum Stadion ist sehr gut. Leider spielt Juve im neuen Juventus-Stadion, denn das Stadio delle Alpi wurde abgerissen. Die Namen auf den Eintrittskarten werden tatsächlich mit den Ausweisen abgeglichen. Die Stimmung ist eher schlapp. Ein paar Idioten versuchen den unseren Anhang mit Gesängen und Transparenten zu provozieren. Große Feierei nach einem Sieg ist da wohl nicht angesagt. Mehr gibt es eigentlich nicht zu berichten. Ich lerne vier Jungs von einem Fanclub aus Schöppingen kennen, mit denen ich die Heimreise antrete. Nach der Blocksperre geht’s zurück. Nach ca. vier Stunden auf dem Trockenen haben alle Brand, aber auch nach so einem Ereignis herrscht auf dem gesamten ca. 30-minütigen Fußweg vom Busstopp bis zum Hotel durch die gesamte Turiner Innenstadt tote Hose. Mein Hotel - das Frühstück und die Lage sind großartig - kann ich euch empfehlen!
Da ich durch den Flugplan einen Drei-Tagestrip gebucht habe, kann ich am nächsten Tag ausgiebig die Sonne genießen. Bis ich mittags meine neuen Freunde aus dem westlichen Müsterland treffe. Da die Aussichtsplattform des vor ein paar hundert Jahren noch höchsten Gebäudes der Welt gesperrt ist, machen wir es uns mit ein paar Pils am Fluss gemütlich. Es gibt noch ein obligatorisches „Finger-im-Po-Foto“ und dann müssen wir weiter, denn Cafés oder ähnliches am Fluss gibt es keine. Wir essen später noch in dem laut Tripadvisor besten Laden Turins ein paar Baguettes. Ein kleines Bier dort kostet zwei Euro, ein großes zwei fufzich. Wir wollen grade gehen, da fragt man uns: „Ihr habt doch ein großes Bier zum Baguette bestellt, oder?“ „Ja.“ „Dann bekommt ihr noch jeder ein kleines Nutella-Baguette.“ Na das hätte ich in Italien nicht erwartet. Dann werde ich zu den Jungs in ihre Ferienwohnung eingeladen. Durch ein kleines Ghetto kommen wir schnell dorthin. Als ich dann höre „jetzt lernst du den Luigi kennen“, frage ich mich ob ich mir Sorgen machen muss. Aber es handelt sich nur um ein lustiges Saufspiel. Auf dem Heimweg sind bereits wieder alle Bürgersteige hochgeklappt, dabei ist es noch nicht mal spät.
Am nächsten Tag geht es nach dem Frühstück zum Bahnhof und dann zum Flughafen. „Wir lagen träumend im Gras“ draußen in der Sonne und warteten auf den Abflug. Nach Teneriffa am Samstag innerhalb von fünf Tagen das zweite Mal von der Sonne in den Regen. In Dortmund ist’s trotzdem am schönsten!

Fazit:
Bis auf das Ergebnis ein guter Trip. Die Stadt ist auch eine Reise wert. Da es höchstwahrscheinlich auf Jahre die letzte Möglichkeit war, internationale Luft zu schnuppern, bin ich froh, es gemacht zu haben.
Schöne Grüße an die Schöppinger Berg-Borussen!

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Schwarzgelbe Grüße von
: Manu